Liebe Gemeinde!

Mit dem heutigen Sonntag „Invokavit“ hat also die Passionszeit begonnen. In den sieben Wochen vor Ostern bereiten wir uns auf den absoluten Höhepunkt des Kirchenjah-res und auf den Höhepunkt unseres Glaubens vor: Jesus leidet stirbt am Kreuz, - und damit erlöst er unsere Welt von der Gottverlassenheit.

Zugegeben: Gefühlt hat die Passionszeit heuer bereits 10 Tage früher begonnen, mit dem Krieg in der Ukraine, der sich gewissermaßen vor unserer Haustüre abspielt und der auf jedem Fernseher, jedem Tablet und Handy allgegenwärtig ist.

Die Rede ist überall von einer „Zeitenwende“. Das mag politisch sicherlich zutreffen, wobei ich sagen muss: Vor zwei Jahren, mit Beginn der Corona-Pandemie, hat man auch schon gesagt, dass die Welt nicht mehr so sein wird, wie vorher. Seit Jahren stehen bereits die Zeichen auf Veränderung. Und unter dieser Veränderung leiden wir, weil diese Veränderung kaum etwas Gutes, dafür aber viel Leid und Tod über die Menschheit bringt. Und wir leiden mit. Passionszeit. Bei uns ist der Krieg zwar noch nicht angekommen, aber auch wir werden mit steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen, mit Lieferengpässen und neuen Flüchtlingsströmen unsere Komfortzone verlassen müssen. Diese Entwicklung wird auch weiter unsere Kirche treffen. Denn, wenn das Geld knapper wird, werden sich noch mehr Menschen die Kirchensteuer sparen und aus der Kirche austreten. Es sind keine guten Zeiten, und sie werden noch viel Leid über die Menschheit bringen. Passionszeit.

Da wirkt der für heute vorgesehene Predigttext auf den ersten Blick fast ein wenig be-fremdlich. Der Apostel Paulus wendet sich an seine Gemeine in Korinth mit einem flammenden und leidenschaftlichen Appell. Und dieser Appell beginnt ebenfalls mit der Ankündigung einer Zeitenwende. Ich lese, was Paulus im 2. Brief an die Korinther, im 6. Kapitel, schreibt. Zur besseren Verständlichkeit lese ich die Übersetzung aus der „Basis-Bibel“ vor, einer sehr empfehlenswerten, leicht verständlichen Neuübersetzung der Bibel:

1 Wir als Gottes Mitarbeiter bitten euch auch: Nehmt die Gnade Gottes so an, dass sie nicht ohne Wirkung bleibt. 2 Denn Gott spricht: »Ich habe dich zur rechten Zeit erhört und dir am Tag der Rettung geholfen.« Seht doch! Jetzt ist die rechte Zeit. Seht doch! Jetzt ist der Tag der Rettung. 3 Wir wollen auf gar keinen Fall Anstoß erregen. Denn unser Dienst soll nicht in Verruf geraten. 4 Vielmehr beweisen wir in jeder Lage, dass wir Gottes Diener sind: Mit großer Standhaftigkeit ertragen wir Leid, Not und Verzweiflung. 5 Man schlägt uns, wirft uns ins Gefängnis und hetzt die Leute gegen uns auf. Wir arbeiten bis zur Erschöpfung, wir schlafen nicht und essen nicht. 6 Zu unserem Dienst gehören ein einwandfreier Lebenswandel, Erkenntnis, Geduld und Güte, der Heilige Geist und aufrichtige Liebe. 7 Zu unserem Dienst gehören außerdem die Wahrheit unserer Verkündigung und die Kraft, die von Gott kommt. Wir kämpfen mit den Waffen der Gerechtigkeit, in der rechten und in der linken Hand. 8 Wir erfüllen unseren Auftrag, ob wir dadurch Ehre gewinnen oder Schande, ob wir verleumdet werden oder gelobt. Wir gelten als Betrüger und sagen doch die Wahrheit. 9 Wir werden verkannt und sind doch anerkannt. Wir sind vom Tod bedroht, und seht doch: Wir leben! Wir werden ausgepeitscht und kommen doch nicht um. 10 Wir geraten in Trauer und bleiben doch fröhlich. Wir sind arm und machen doch viele reich. Wir haben nichts und besitzen doch alles!

Liebe Gemeinde!

„Jetzt ist die gute Zeit angebrochen. Jetzt ist der Tag der Rettung.“ Man reibt sich verwundert die Augen, wenn man die Worte des Apostels hört. Passen denn diese Verse in unsere von Pandemie und Kriegen durcheinandergeschüttelte Weltordnung? „Ja“, würde ich sagen, - und wie diese Worte passen. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die jungen christlichen Gemeinden um 50 n. Christus alles andere, als auf Rosen gebettet waren. Auch das beschreibt Paulus in unserem Predigttext sehr eindrücklich: Da ist vom Gefängnis die Rede, vom Auspeitschen, vom Dienst bis zur Erschöpfung und von Tod wegen des Glaubens an Jesus Christus. Hinzu kommt noch, dass Paulus und seine Begleiter zwischen den Zeilen des 2. Korintherbriefes einen handfesten Richtungsstreit mit den Korinthern austragen. Die Christen in Korinth sind von einer tiefen inneren Spaltung bedroht.

Ja, auch unser Predigttext ist von einer Zeitenwende betroffen. Die antike Welt wird von einer neuen Glaubensrichtung kräftig durcheinandergewirbelt. Und dieser neue, junge Glaube, der muss sich erst einmal selbst sortieren und seinen Platz in der Gesellschaft finden. Aber diese Zeitenwende ist eine Wende zum Guten, sagt Paulus. Denn diese Wende hat nicht ein machthungriger Kaiser oder Diktator ausgelöst, sondern Gott selbst. Diese Zeitenwende hat einen Namen: Jesus Christus. Darum kann Paulus bei all den Herausforderungen und Problemen und trotz allem Leid von Heil und Erlösung sprechen. „Jetzt ist der Tag der Rettung.“ Weil Gott selbst seinen Retter geschickt hat und weil dieser Retter für uns am Kreuz gestorben ist.

Freilich: Das Leben der Christen damals wie heute ist von einem tiefen Widerspruch geprägt. In der Welt tobt sich nach wie vor das Böse aus. Und dieses Böse hat unbeschreibliches Leiden in seinem Reisegepäck. Irgendwie wirkt alles doch wieder so, wie es immer war: Die Reichen finden ihre Schlupflöcher, schwelgen in Luxus - und die Ar-men müssen bluten. Die Machthaber toben ihren Wahn aus, und die Völker werden in Kriege verwickelt und in Finsternis gestürzt. Aber mittendrin im Kampfgetümmel steht da plötzlich das Kreuz. Das Kreuz von Jesus Christus. Das Christentum ist keine Wohlfühlreligion. Denn unser zentrales Symbol ist ein Folterinstrument bei den Römern gewesen, ein Zeichen des Todes. Aber Gott hat dieses Symbol zum Zeichen der Versöhnung gemacht. Das Kreuz wird zur großen Kraftquelle. Im größten Leiden, in unbeschreiblichem Elend ist Jesus mir ganz nahe. Denn er hat das alles selbst durchgemacht, ist unschuldig verhaftet, ausgepeitscht, gequält und hingerichtet worden. Das Kreuz ist ein Geschenk Gottes an alle, die ihre persönliche Passion durchmachen. Und es ist ein friedlicher Protest gegen alle Kriegstreiber, gegen Teufel und Dämonen.

In diesem Zusammen hang finde ich es interessant, wie „militaristisch“ Paulus das Dasein von uns Christen beschreibt: Er redet von den „Waffen der Gerechtigkeit“, die Gott selbst einem jeden Christen in die rechte und in die linke Hand legt. Diese damals gebräuchliche Redensart muss ich vielleicht kurz erklären: Die Waffen, die man in die rechte Hand nimmt, waren für den Angriff gedacht. Die Waffen in der linken Hand sollten der Verteidigung dienen. Das heißt also, dass Gott nicht nur zur Verteidigung aufruft, sondern regelrecht zum Angriff bläst. Natürlich sind die Waffen Gottes andere Waffen als Panzerfäuste, Gewehre und Granaten. Die Waffe der Christen, das ist die „Verkündigung“, also die Frohe Botschaft, dass Gott sich mit allen Menschen versöhnt, die an ihn glauben und die nach seinen Geboten leben. Freilich, und das sage ich ganz offen. Mit diesen Waffen kann man aktuell den Kriegs-verlauf in der Ukraine nicht umkehren. Die Entscheidung darüber, wer wem welche Waffen liefert oder militärische Unterstützung gibt, und welche Sanktionen gegen wen verhängt werden, das liegt in den Händen unserer Regierung. Es ist der Fluch der momentanen Situation, dass jede politische Entscheidung, ganz gleich, wie sie ausfällt, Menschenleben kostet und Leid über die Menschen bringt. An der Passion führt kein Weg vorbei und der Teufel, der bereits Jesus in der Wüste besucht hat, er hat seine große Stunde. Die weltlichen Mächte haben derzeit die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ich glaube, niemand von uns möchte derzeit in der Haut der politisch Verantwortli-chen in Deutschland oder in Westeuropa stecken ….

Umso wichtiger ist es, dass wir Christen unsere ureigensten Waffen schärfen. Waffen sind das in Wort und Tat, wie Paulus es selbst in unserem Predigttext ausdrückt. Die eine wirksame Waffe ist, Gutes zu tun, - und da wird auch in unserer evangelischen Kirche im Großen wie im Kleinen viel unternommen: Unsere Bayerische Landeskirche hat bereits € 180.000 für die Unterstützung der Evang.-Luth. Kirche in der Ukraine zur Betreuung der Kriegsopfer bereitgestellt. Unser Kindergarten „Haus der kleinen Füße“ sammelt noch bis Dienstag alle möglichen Sachspenden für die Opfer dieses Krieges. Und unsere Nachbargemeinde Wirbenz/Immenreuth möchte das evangelische Gemeindezentrum in Immenreuth als Unterkunft für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Das sind nur drei Schlaglichter einer ungeheuren Hilfsbereitschaft, die sich auch unter allen Christen breitmacht. Und das ist gut so. Egal, wie dieser Krieg ausgeht, die Opfer brauchen humanitäre Hilfe von außen. Daneben haben wir Christen aber noch eine weitere wichtige „Waffe“ gegen den Krieg: Und das ist die Botschaft von der Versöhnung. Im Augenblick wird der Gedanke der Versöhnung in den Hintergrund gedrängt. Und die Vertreterinnen und Vertreter der Friedensbewegung in Deutschland schiebt man derzeit gerne in die Ecke von Dinosauriern, die nicht mehr in das Leben nach der Zeitenwende passen. Aber eine solche Einordnung halte ich für eine gefährliche Einbahnstraße. Was wir gerade jetzt brauchen, ist die Überwindung des primitiven Schwarz-Weiß-Denkens in Freund und Feind. Nicht „der Russe“ ist unser Feind, auch nicht ein bestimmter Präsident. Der Teufel ist unser Feind, der gerade in altrussischen und postsowjetischen Machtträumen, sowie in rückwärtsgewandtem Denken einen hervorragenden Nährboden findet.

Jesus sagt, als er am Kreuz hängt: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Diesen Satz von Jesus dürfen wir nicht vergessen, auch, wenn den Krieg mit allen verantwortbaren Mitteln eingedämmt werden muss. Wir Christen stehen nicht hilflos vor dieser humanitären und politischen Katastrophe. Wir haben das Gebet, wir haben die Macht der Vergebung und Versöhnung, die uns Gott geschenkt hat. Auch, wenn wir nicht annähernd so viel Geld haben, wie russische Oligarchen, und keine militärischen Waffen zur Abschreckung besitzen, - wir sind trotzdem stark, weil Gott selbst uns stark macht. Das meint Paulus mit den beeindruckenden Sätzen, die unseren Predigttext abschließen: „Wir sind arm – und machen doch viele reich. Wir haben nichts – und besitzen doch alles.“ Egal, wie dieser Krieg endet. Es wird nur Verlierer geben. Aber mit Gottes Hilfe kann aus den Trümmern der Zeitenwende neues Leben wachsen. Und dafür lasst uns handeln JETZT. Der Tag der Rettung ist angebrochen. Und das Kreuz ist auf jedem Schlachtfeld präsent, - und mit ihm Gottes Nähe.

Amen.