Liebe Gemeinde!

In meiner Familie bin ich dafür berüchtigt bei allen möglichen Gelegenheiten flache Witze zum Besten zu geben. Ich traue mich, meine Predigt heute auch mit einem nicht sehr tiefsinnigen Witz zu beginnen. Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel. Aber ich finde, der Witz ist trotzdem ein guter Einstieg in das heutige Predigtthema. Hören Sie die Episode von den zwei Spatzen und dem großen Eisenvogel:

„Sitzen zwei Spatzen auf einem Dach. Über ihnen fliegt gerade ein Düsenjet vorbei. Sagt der eine Spatz: Der hat es aber eilig.“ Darauf der andere Spatz: „Ja klar, wenn dir so der Hintern brennt.“

Der Witz ist ein humorvoller, augenzwinkernder Einstieg in eine wichtige Lebensfrage: „Was treibt uns an?“ Was motiviert uns, dass wir ins Handeln kommen, dass wir etwas tun? Was sorgt dafür, dass wir nicht nur passiv bleiben, sondern aktiv werden? Was treibt uns an? Dieser Frage möchte ich die heutige Predigt widmen, und zwar speziell aus christlicher Sicht: Was treibt uns als Christinnen und Christen an? Eine Antwort darauf finden wir in dem Predigttext, der für den heutigen Sonntag vorgesehen ist. Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die Römer im 8. Kapitel folgendes:

„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.“

Wer an Jesus Christus glaubt, der wird angetrieben vom Geist Gottes. Und dieser Geist macht frei.

Paulus zeigt uns im Vergleich dazu einen anderen Geist. Er nennt ihn den „knechtischen Geist“. Diesen Geist kennen wir alle nur zu gut: Das ist der Geist, der uns in den Mantel der Angst einhüllt und der uns von Gott trennt. Dieser andere böse Geist sagt uns: Wozu brauchst du Gott? Nimm dein Leben selbst in die Hand, statt fromme Reden zu schwingen und zu beten. Ein wahrlich böser Geist ist das. Er kommt mit einem verlockenden Angebot und redet uns ein, den Mantel der Freiheit im Gepäck zu haben. Wenn du dich von Gott lossagst, dann bist du dein eigener Herr und von niemandem abhängig. Aber genau in dieser verlockenden Aussicht liegt das Verhängnisvolle. Der umgelegte Mantel der persönlichen Freiheit entpuppt sich schnell als Angstmacher. Denn wer sich in seinem Leben nicht auf Gott verlässt, der muss sich auf sich selbst verlassen. Ist ja sonst keiner mehr da. Das Problem ist: Wir Menschen machen Fehler. Und wenn wir durch unsere Fehler Schaden anrichten oder andere verletzen, dann sind wir ganz allein selbst verantwortlich für das, was wir angerichtet haben. Also müssen wir peinlich darauf achten, ja keinen Fehler zu begehen. Wir müssen ja unsere Schuld alleine tragen. Und schon ist sie da, die Angst zu versagen, die Angst, etwas falsch zu machen.

Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber. Menschen, die von Angst geleitet werden, entscheiden sich selten für das Richtige. Menschen, die voller Angst sind, schotten sich ab, bauen Mauern um sich herum, suchen Sündenböcke, erschaffen Feindbilder, werden anfällig für Verschwörungstheorien aller Art und und und …. Da, wo die Angst regiert, ist meist das radikale Denken nicht weit. Die einfachen Weltbilder feiern Hochkonjunktur: Es gibt schwarz und weiß, gut und böse. Zwischentöne sind nicht erwünscht. Vielen Menschen in unserer Zeit werden von Angst getrieben. Und die Wahlergebnisse, die wir heute Abend bei den Landtagswahlen erleben werden, sind die Folge dieser Angst: der Angst, die Kontrolle zu verlieren, der Angst, Sicherheiten und Wohlstand zu verlieren, der Angst vor Krieg. Angst macht misstrauisch. Und die Angst treibt Menschen in die Fänge von radikalen Gruppen. Wer erst einmal zu ihnen gehört, verliert jede Freiheit. Denn abweichende Meinungen sind in extremen Gruppen nicht erwünscht Der Apostel Paulus weiß das ganz genau. Er hat es ja am eigenen Leib erlebt. Er war ja selbst einmal ein Radikaler, ein Pharisäer der extremsten Ausprägung.

Paulus weiß, wovon er schreibt: Er wollte selbst fehlerlos sein, perfekt, untadelig. Er wollte sich selbst einen Namen machen. Er, der durch seine äußere Erscheinung und durch eine chronische Krankheit eher keine gute Figur abgibt. Und das hat ihn radikal gemacht. Er war fanatisch. Paulus hat inzwischen entdeckt, dass er in Wirklichkeit von Angst geleitet war. Von der Angst zu versagen. Um davon abzulenken, brauchte er Feindbilder. Und er fand sie in den Christen, die er dann verfolgte. So geht das mit dem bösen Geist, der dir den Mantel der Freiheit umlegt und dich in Wirklichkeit in die finsterste Angst treibt

Was diese Angst und radikales Gedankengut anrichten, das haben wir vor genau 85 Jahren erlebt. Heute vor 85 Jahren begann mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg mit all seinen Schrecken. Die Angst hat damals den Ruf nach einem starken Mann laut gemacht. Gekommen ist der Krieg. Damit so etwas nicht mehr passiert, müssen wir von diesem bösen Geist frei werden.

Und wie werden wir frei? Indem wir uns an Gott binden. Das hört sich nach einem gewaltigen Widerspruch an. Ist es aber nicht. Wir haben ja gesehen, dass der Mensch alleine im wahrsten Sinne des Wortes von Gott und allen guten Geistern verlassen ist. Der Mensch braucht gute Gemeinschaft, weil er nicht perfekt ist. In der Gemeinschaft kann er nicht machen, was er will, kann nicht nur seine eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten pflegen. In der Gemeinschaft klappt es nur mit Rücksicht und mit Kompromissen. Aber die Gemeinschaft hält mich, gibt mir Orientierung, tröstet mich, macht mir Mut. Und sie verzeiht. Wenn es in der Familie gut klappt, dann kann die Familie so eine gute und wertvolle Gemeinschaft sein. Ein guter Freundeskreis ist auch viel wert. Aber die „Königsklasse“ der Gemeinschaft, das ist die Gemeinschaft mit Gott in Jesus Christus. Dann wirst du angetrieben vom Heiligen Geist. Dieser Geist macht dir keine Angst, sondern er schenkt dir Freude. Und dieser Geist bringt dir ein Wort bei: „Abba, lieber Vater. - Vater unser im Himmel.“

Der Gott, den uns Jesus Christus gezeigt hat, ist anders. Er ist kein Rachegott, der Vergeltungsschläge und Sieg-Heil fordert. Dieser Gott ist der liebe Vater. Er ist kein gutmütiger Trottel, der alles durchgehen lässt. Nein, dieser Gott steht für eine Autoritätsperson, die aber vor allem eines ist: Gnädig und barmherzig. Gott straft nicht, er heilt. Gott rächt nicht, er vergibt. Gott fordert nicht den Krieg, er schafft Frieden. Wer vom Heiligen Geist angetrieben wird, der weiß, wohin er gehört. Und er weiß, dass er nicht perfekt sein muss, dass Fehler passieren dürfen. Wir haben einen Gott, zu dem wir Vater sagen dürfen. Vor diesem Vater brauchen wir uns nicht zu fürchten. In Jesus steht dieser Vater für uns ein, wenn wir knapp, aber gründlich am richtigen Weg vorbeigelaufen sind. Zu diesem Vater dürfen wir jederzeit wieder zurückkommen.

Liebe Gemeinde! Was treibt uns Christen an? Letztlich treibt uns die Liebe an. Die Liebe zu Gott, zu uns selbst und zu unseren Mitmenschen. Und der Treibstoff ist die Liebe Gottes. Wir können uns selbst und anderen vertrauen, weil wir selbst geliebt werden, - und zwar einfach so. Nicht, weil wir besondere vorbildliche Taten vorweisen können oder besonders heilig sind.

Was treibt uns an? Das starke Selbstbewusstsein treibt uns an. Das Selbstbewusstsein, dass wir Kinder Gottes sind. Wir dürfen Kind sein. Wir dürfen auch mal Mist bauen, müssen dafür auch die Konsequenzen tragen. Aber wir bleiben Kinder Gottes, beschützt, geliebt und gesegnet. Dieses Selbstbewusstsein soll uns antreiben, einen anderen Geist in dieser Welt zu verbreiten als den der Angst. Lasst euch antreiben, lasst euch einen freundlichen Impuls geben, einen kleinen Schubs, damit in diesen schwierigen und radikalen Zeiten Gottes Liebe unter die Menschen kommt. Lasst euch antreiben und lebt als Kinder Gottes.

Tut Gutes! Diese Aufforderung soll euch nicht unter Druck setzen, sondern soll Ausdruck der Freude und Dankbarkeit sein. Wir sind dankbar, dass wir so einen großartigen Gott haben.

"Lobe den Herrn, meine Seele und seinen heiligen Namen.
Was er dir Gutes getan hat, Seele, vergiss es nicht. Amen."