Liebe Gemeinde!

Schreibt Ihr gerne Briefe?

Ich rede jetzt nicht von einer E-Mail, schon gar nicht von einer WhatsApp oder Signal-Nachricht, die man schnell mal in den Computer oder auf dem Handy tippt. Nein, ich meine richtige Briefe, die ganz „Old School“, also nach alter Schule, von Hand auf Papier geschrieben und in den Briefkasten geworfen werden. Die Älteren unter Euch machen das vielleicht noch regelmäßig, die jüngeren Erwachsenen oder die Konfirmandinnen und Konfirmanden wahrscheinlich wenig bis gar nicht, oder? Briefe schreiben, mit Hand auf Papier, das hat heutzutage fast schon etwas Antikes, es ist außergewöhnlich. Dementsprechend empfinde ich es schon als besondere Ehre, wenn mir jemand einen Brief oder wenigstens eine Karte per Post schickt.

Meine beiden großen Kinder machen das übrigens seit Jahren, wenn sie in den Urlaub fahren. Natürlich tauschen auch wir What’s Apps und Fotos aus dem Urlaub aus. Aber Michael und Barbara schicken uns regelmäßig aus dem Urlaub eine Postkarte, von Hand geschrieben, die manchmal erst bei uns ankommt, wenn die Kinder längst wieder zuhause sind. Aber das ist egal. Darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, dass wir unseren Kindern so wichtig sind, dass sie uns so wertschätzen. Sie kaufen extra für uns eine Karte, besorgen sich eine passende Briefmarke, was heutzutage in manchen Urlaubsregionen gar nicht mehr so einfach ist, setzen sich hin und schreiben einen lieben Urlaubsgruß von Hand und suchen dann, heutzutage ebenfalls keine leichte Sache mehr, einen Briefkasten, um den Brief abzuschicken. Meine Frau und ich freuen sich richtig über jede Karte, obwohl dieses Kommunikationsmittel gar nicht mehr zeitgemäß wirkt. Aber hier geht es um etwas anderes: Jemand macht sich richtig Mühe wegen uns. Ich schäme mich fast ein wenig, dass wir unseren Kindern keine Postkarte händisch aus dem Urlaub schicken. Zeit dazu hätten wir in diesem Jahr wirklich gehabt ….

Briefe schreiben. Der Apostel Paulus, von dem unser heutiger Predigttext stammt, hat auch viele Briefe geschrieben. Nicht alle, aber einige davon sind uns im Neuen Testament erhalten geblieben, Gott sei Dank. Aber ich habe nicht deswegen vom besonderen Wert des Briefeschreibens erzählt, obwohl Paulus natürlich seine Gemeinden, an die er schreibt, auch sehr liebt und schätzt. Nein, Paulus schreibt an seine Gemeinde in der Stadt Korinth folgendes:

„Ihr seid ein Brief Christi“ – Ihr seid ein Brief Gottes.

Was meint Paulus damit? Paulus will den Menschen in Korinth sagen: Gott schreibt allen Menschen jeden Tag Briefe, jedem einzelnen von uns, Großen und Kleinen, Jungen und Alten, Berühmten und Unbekannten. Gott schreibt uns allen Briefe - bis heute. Aber Gott schreibt diese Briefe nicht mit Tinte auf Papier oder Pergament. Er schreibt seine Briefe direkt in unser Herz. Denn das, was Gott zu sagen hat, ist nichts Oberflächliches, es geht in die Tiefe. Es reicht bis in die tiefsten Tiefen unserer Seele. Und nun kommt es darauf an, ob wir diese Briefe öffnen, die Gott uns jeden Tag schreibt. Wir können die Briefe, die Gott in unser Herz schreibt, auch ungelesen wegwerfen. Bei lästigen Werbesendungen machen wir so etwas ja täglich. Wirklich gehaltvolle Briefe auf Papier bekommt man ja heutzutage nur noch wenige. Wenn ich Gottes Brief einfach wegwerfe, wie eine ungebetene Postwurfsendung, dann passiert im Grunde nichts Schlimmes. Es passiert einfach gar nichts. Es geht halt weiter wie bisher. Wenn ich den Brief Gottes in meinem Herzen aber öffne, ….. – dann geschieht etwas ganz Wunderbares. Es kommt zu einer Verwandlung.

Der Apostel Paulus hat das am eigenen Leib verspürt. Damals als er auf dem Weg nach Damaskus vom Pferd gefallen war ….. wegen einem hellen Licht, das nur er gesehen hat, seine Begleiter aber nicht. Das Licht der Welt, Jesus Christus, ist ihm begegnet. Er hat ihn angesprochen. „Saul“, so hieß der Apostel damals noch. „Warum verfolgst du mich?“ So hat Jesus Christus ihn gefragt. Wir wissen ja: Saulus hatte damals fanatisch Christen verfolgt, weil er sie als gefährlich für den jüdischen Glauben eingestuft hatte. Saulus war ein Pharisäer der radikalsten Sorte. Aber die Begegnung mit Jesus, mit dem Licht der Welt, hat diesen Mann verwandelt. Aus Saulus ist Paulus geworden. Und dieser Paulus gründet nun selbst christliche Gemeinden, erzählt von Jesus Christus und schreibt seinerseits Briefe, die die Herzen der Menschen erreichen wollen. Der Brief Gottes, der Brief Christi, er verwandelt diejenigen, die den Brief öffnen, die sich der Botschaft des Evangeliums öffnen. Und diese Menschen werden nun selbst zu lebendigen Briefen. Sie werden zu Empfehlungsschreiben Gottes. Diese Empfehlungsschreiben sind aber nicht mit Tinte geschrieben, sondern lebendig und wirken daher viel mehr. Die Menschen in Korinth sind solche Empfehlungsschreiben Gottes, sagt Paulus. Deshalb kämpft er um sie, ringt mit ihnen, weil sie in Gefahr sind auf Abwege zu geraten.

Hören wir an dieser Stelle, was Paulus an seine Gemeinde in Korinth schreibt. Ich lese den Predigttext aus dem 2. Korintherbrief im 3. Kapitel:

„Es ist doch offenbar geworden, dass ihr, liebe Brüder und Schwestern, ein Brief Christi seid, durch unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf Tafeln aus Fleisch und Blut, nämlich eure Herzen. Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

Liebe Gemeinde! „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig“, schreibt der Apostel Paulus. Das ist wieder so ein erklärungsbedürftiger Satz. Was meint Paulus damit?

Paulus sagt seinen Korinthern: Das Evangelium der Brief, den Christus geschrieben hat, steckt ganz tief in euch, in euren Herzen. Die Botschaft des Evangeliums ist nichts Oberflächliches. Darum hütet euch bitte vor allen Oberflächlichkeiten und lasst euch nicht davon verführen.

Wir kennen diese Oberflächlichkeiten bis heute sehr gut: Die Menschen, die besonders laut schreien, werden gehört. Diejenigen, die einfache Schwarz-Weiß-Parolen anstimmen, haben Erfolg. Diejenigen, die Schuldige suchen für die Missstände auf unserer Welt und sie mit Hass und Verachtung überschütten, die bekommen Zulauf: Schuld sind die Flüchtlinge, die Juden, die Hamas, der Iran und Russland. Schuld ist die Regierung, vor allem die Grünen, Schuld ist der Vorgesetzte, der Nachbar, der Andersdenkende und und und …. Das war eine ganz willkürliche Auswahl, die bei weitem nicht vollständig ist. Die Liste der Schuldigen für Schwarz-Weiß-Denker ist lang. Wer geistig an der Oberfläche bleibt, der sieht schöne Frauen, muskulöse junge Männer, erstrahlend im Glanz des Body-Gels. Wer an der Oberfläche bleibt, der hört auf das, was angenehm klingt, der wählt den einfachen Weg, der schmeißt nach 5 Minuten hin, wenn etwas nicht klappt. Die Christen in Korinth standen auch in der Gefahr, den Oberflächlichkeiten zu verfallen. Dabei hatten sie von Paulus so gut gelernt, worauf es ankommt: „Hört nicht auf die, die mit volltönenden Worten und Empfehlungsschreiben Personenkult betreiben.“

Menschliche Einbildung und Personenkult, - das ist etwas, das Paulus zutiefst verhasst ist. Paulus sagt: Es gibt nur eine Sache, auf die ihr euch etwas einbilden könnt. Wenn Gottes Kraft in mir wirkt. Nicht du bist stark, sondern Gott in dir gibt dir Halt und Stärke. Du musst nicht stark sein, keine Bonuspunkte sammeln, keine Follower und Likes im Internet. Gott ist stark. Du darfst Schwäche zeigen, weil du einen starken Verbündeten hast. Jesus Christus ist dein Verbündeter. Und diesen Bund kann nicht einmal der Tod beenden. Darum brauchst du auch vor dem Tod nicht wirklich Angst zu haben. Das meint Paulus, wenn er vom Bund mit Gott redet, der nicht durch Buchstaben, sondern vom Heiligen Geist besiegelt ist.

Ich muss in diesem Zusammenhang an ein Zitat des irischen Schriftstellers Oscar Wilde denken. Oscar Wilde wäre am 16. Oktober 170 Jahre alt geworden. Von ihm stammt der Satz: „Jeder ist der Liebe würdig, - nur der nicht, der sich für würdig hält.“ Paulus würde sagen: „Jeder ist der Liebe Gottes würdig, - nur der nicht, der eingebildet ist und sich selbst rühmt .“ Denn dann machst du dich selbst groß und wichtig und brauchst die Liebe Gottes nicht.

Liebe Gemeinde! Ich gehe noch einmal zurück zu unseren Briefen vom Anfang. Es bleibt die Frage: Wie erkenne ich diesen Brief, den Gott mir schreibt in meinem Herzen? Was muss ich tun? Wie öffne ich diesen Brief, damit ich zum Guten verwandelt werde? Nun, grundsätzlich musst du erst einmal gar nichts tun. Denn Gott kommt zu dir. Nicht umgekehrt. Gott sucht dich. Nicht du suchst Gott. Aber bestimmte Rahmenbedingungen helfen natürlich schon, dass der Brief Gottes nicht untergeht im Gewühl und Ärger des Alltags: Ruhe hilft zum Beispiel, Stille, Entspannung – und oft ein besonderer Ort: eine Kirche, ein so genannter Kraftort in der Natur. Mir persönlich hilft immer ganz viel die Musik, das Singen und Spielen von Instrumenten. Auch das Lesen der Bibel oder religiöse Literatur helfen. Aber all diese Dinge können nur den Rahmen schaffen. Wenn Gottes Botschaft mich erreicht, dann kannst du das nicht planen. Es passiert, oder es passiert nicht. Oft braucht man Geduld. Nach meiner Erfahrung passieren solche Gottesbegegnungen in Momenten, in denen man gar nicht damit rechnet. Es ist eine Eigenart Gottes, dass seine Offenbarungen immer für Überraschungen sorgen und gerne zum ungebetenen Zeitpunkt kommen.

Liebe Gemeinde Den heutigen 13. Oktober haben die „Vereinten Nationen“ zum „Tag der Katastrophenvorbeugung“ ausgerufen. Ich bin fest überzeugt davon, dass der Glaube an Jesus Christus, den Paulus predigt, dass dieser Glaube inneren und auch äußeren Katastrophen vorbeugen kann.

Die Mutter eines Täuflings meinte letzte Woche zu mir, dass es im Moment wohl modern sei, aus der Kirche auszutreten. Die vielen Kirchenaustritte - und die Angst, dass unsere sich radikalisierende Gesellschaft in eine Katastrophe schlittert, - ich sehe da schon einen Zusammenhang. Umso wichtiger ist, es, dass wir, die wir in der Kirche bleiben, solche lebendigen Empfehlungsschreiben Christi bleiben. Empfehlungsschreiben, die von Liebe erzählen und nicht von Hass, die von innerer Schönheit reden, nicht von perfekten Körpermaßen, Empfehlungsschreiben, die Gott loben und nicht Erfolg und Karriere.

Der Geist Gottes macht lebendig. Lebt! Um Gottes Willen. Amen.