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Gottesdienst
Predigten und besinnliche Texte
Die Rechte liegen immer beim jeweiligen Autor (unter dem Text angegeben).
Predigten und besinnliche Texte
Predigt über Matthäus 5,38-48
Liebe Gemeinde!
Die Worte, die heute als Predigttext vorgesehen sind, sie gehören zu den größten Zumutungen, die uns in der Bibel begegnen. Was wir im Matthäusevangelium lesen, ist für uns unerträglich. Und doch sind die Worte, die Jesus spricht, absolut notwendig. Eine Zumutung - unerträglich und notwendig zugleich. Wir lesen davon in der so genannten „Bergpredigt“ Jesus steigt auf einen Berg. Dort setzt er sich. Im Sitzen, wie das damals üblich war, predigt Jesus zu seinen Jüngern - und wahrscheinlich zu anderen Menschen. Die Bergpredigt gehört zu den bekanntesten Stücken der Bibel. Aber nicht alles, was Jesus sagt, ist leicht zu verdauen. Zum Beispiel seine Worte über die Vergeltung und die Feindesliebe.
Ich rede jetzt nicht von einer E-Mail, schon gar nicht von einer WhatsApp oder Signal-Nachricht, die man schnell mal in den Computer oder auf dem Handy tippt. Nein, ich meine richtige Briefe, die ganz „Old School“, also nach alter Schule, von Hand auf Papier geschrieben und in den Briefkasten geworfen werden. Die Älteren unter Euch machen das vielleicht noch regelmäßig, die jüngeren Erwachsenen oder die Konfirmandinnen und Konfirmanden wahrscheinlich wenig bis gar nicht, oder? Briefe schreiben, mit Hand auf Papier, das hat heutzutage fast schon etwas Antikes, es ist außergewöhnlich. Dementsprechend empfinde ich es schon als besondere Ehre, wenn mir jemand einen Brief oder wenigstens eine Karte per Post schickt.
Meine beiden großen Kinder machen das übrigens seit Jahren, wenn sie in den Urlaub fahren. Natürlich tauschen auch wir What’s Apps und Fotos aus dem Urlaub aus. Aber Michael und Barbara schicken uns regelmäßig aus dem Urlaub eine Postkarte, von Hand geschrieben, die manchmal erst bei uns ankommt, wenn die Kinder längst wieder zuhause sind. Aber das ist egal. Darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, dass wir unseren Kindern so wichtig sind, dass sie uns so wertschätzen. Sie kaufen extra für uns eine Karte, besorgen sich eine passende Briefmarke, was heutzutage in manchen Urlaubsregionen gar nicht mehr so einfach ist, setzen sich hin und schreiben einen lieben Urlaubsgruß von Hand und suchen dann, heutzutage ebenfalls keine leichte Sache mehr, einen Briefkasten, um den Brief abzuschicken. Meine Frau und ich freuen sich richtig über jede Karte, obwohl dieses Kommunikationsmittel gar nicht mehr zeitgemäß wirkt. Aber hier geht es um etwas anderes: Jemand macht sich richtig Mühe wegen uns. Ich schäme mich fast ein wenig, dass wir unseren Kindern keine Postkarte händisch aus dem Urlaub schicken. Zeit dazu hätten wir in diesem Jahr wirklich gehabt ….
In meiner Familie bin ich dafür berüchtigt bei allen möglichen Gelegenheiten flache Witze zum Besten zu geben. Ich traue mich, meine Predigt heute auch mit einem nicht sehr tiefsinnigen Witz zu beginnen. Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel. Aber ich finde, der Witz ist trotzdem ein guter Einstieg in das heutige Predigtthema. Hören Sie die Episode von den zwei Spatzen und dem großen Eisenvogel:
„Sitzen zwei Spatzen auf einem Dach. Über ihnen fliegt gerade ein Düsenjet vorbei. Sagt der eine Spatz: Der hat es aber eilig.“ Darauf der andere Spatz: „Ja klar, wenn dir so der Hintern brennt.“
Der Witz ist ein humorvoller, augenzwinkernder Einstieg in eine wichtige Lebensfrage: „Was treibt uns an?“ Was motiviert uns, dass wir ins Handeln kommen, dass wir etwas tun? Was sorgt dafür, dass wir nicht nur passiv bleiben, sondern aktiv werden? Was treibt uns an? Dieser Frage möchte ich die heutige Predigt widmen, und zwar speziell aus christlicher Sicht: Was treibt uns als Christinnen und Christen an? Eine Antwort darauf finden wir in dem Predigttext, der für den heutigen Sonntag vorgesehen ist. Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die Römer im 8. Kapitel folgendes:
„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.“
„Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott."
Mit diesen gewichtigen Worten beginnt der Predigttext für den heutigen Sonntag. Sie stehen wie ein Vorzeichen, wie eine Überschrift über dem ganzen Kapitel. Wir finden das Kapitel im 3. Buch Mose oder, wie es auch heißt, im Buch Levitikus im Alten Testament. Dieses 3. Buch Mose ist im Grunde eine Ansammlung von Geboten, Gesetzen und Regeln für das religiöse und soziale Leben der Israeliten. Auch das 19. Kapitel enthält viele Regeln und Gebote. - Aber als Vorzeichen steht das große und bedeutungsschwangere Wort: „heilig“.
Wir sollen also heilig sein, weil Gott heilig ist. Und wie geht das? Ganz klar, könnte man sagen: Wenn wir die Gebote alle befolgen, die diesem Aufruf in Kapitel 19 folgen, wenn wir danach handeln, dann sind wir heilig. Das klingt nach ziemlich viel Pflicht und Moral. Und ich höre schon viele Menschen aus unserer Gemeinde sagen: „Na ja, so heilig bin ich nicht.“ Denn die Heiligen, das sind doch die, die schier Übermenschliches geleistet haben, die sich für ihren Glauben haben hinrichten lassen, die sich bis zum Letzten aufgeopfert haben, die Vorbildliches geleistet und mindestens das Bundesverdienstkreuz bekommen sollten …. Beim Wort „heilig“ denken viele an den Heiligen Geist, die Heilige Dreifaltigkeit oder unsere katholischen Nachbarn an den Heiligen Vater in Rom, alles Mächte und Personen, die für uns unerreichbar oder weit weg sind. Wie sollen wir da heilig sein?
Was ist das überhaupt: „heilig“? Heilig ist erst einmal alles, was zu Gott gehört. Nicht mehr und nicht weniger. So gesehen ist man bereits heilig, wenn man getauft ist oder zumindest die Nähe Gottes sucht. Wenn mein Leben vom Glauben an den dreieinigen Gott getragen wird, dann bin ich heilig. Der Glaube, nicht die Moral stehen erst einmal im Vordergrund. Der große mittelalterliche Mystiker Meister Eckhardt hat das bereits um 1300 sehr schön auf den Punkt gebracht. Ich zitiere:
„Nicht gedenke man Heiligkeit zu gründen auf ein Tun, man soll Heiligkeit vielmehr gründen auf ein Sein, denn die Werke heiligen nicht uns, sondern wir sollen die Werke heiligen.“
In meiner Predigt lade ich Sie zu einem Perspektivwechsel ein, zu einem Wechsel des Standpunkts. Perspektivwechsel, Standpunktwechsel sind im Leben wichtig und wertvoll. Wenn ich von einem bestimmten Standpunkt aus einen Gegenstand betrachte, dann sehe ich immer nur eine Seite. Will ich den Gegenstand vollständig erfassen, dann komme ich nicht drum herum, den Standpunkt zu wechseln, dass ich mir die Sache auch von hinten oder von der Seite ansehen kann. Nicht selten kann man bei solchen Perspektivwechseln große Überraschungen erleben.
Ich erinnere mich noch daran, wie das erste mal bei Speinshart auf dem Barbaraberg war und die prächtige Vorderfront der ehemaligen Sommerresidenz des Speinsharter Klosters gesehen habe. Nimmt man sich die Zeit, um das Gebäude herumzulaufen und das Ganze von hinten oder von der Seite zu betrachten, blickt man auf eine traurige Ruine. Denn es wurde in den 70er Jahren auf dem Barbaraberg nur die prächtige Schaufassade restauriert ….
Perspektivwechsel sind nicht nur beim Betrachten eines Gegenstandes oder eines Bauwerkes wertvoll. Perspektivwechsel helfen auch, Texte neu zu entdecken. Texte, von denen man meint, längst zu wissen, was sie aussagen und bedeuten. Durch einen Wechsel des Standpunktes bin ich in der Vorbereitung auf eine ganz interessante Entdeckung im Predigttext für den heutigen Gottesdienst gestoßen. Jesus erzählt dort zwei kurze Gleichnisse. Gleichnisse vom Himmelreich. Ich lese, was der Evangelist Markus im 13. Kapitel aufgeschrieben hat:
„Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“